Feminist Bore-Out

Über das Feminist Burn-Out wurde ja schon viel geredet. Ich erhöhe heute und sage: Zusätzlich dazu gibt es auch das Feminist Bore-Out. Und ich glaube es hat mich erwischt. Doch wie kam ich zu dieser Erkenntnis? Vor allem durch dieses neue Büchlein da von neulich: „Tussikratie“. Und das noch ohne es zu lesen!

Es verhielt sich aber vorher so, dass ich mich dabei ertappte, dass ich seit Wochen, Monaten alles Mögliche viel lieber tat, als mich im Internet an irgendwelchen Debatten zu beteiligen, geschweige denn diese Debatten zu verfolgen. Nehmen wir der Einfachheit halber also zum Beispiel das letzte Wochenende: Mal wieder frönte ich meinem Eskapismus in einer dem Netz-Aktivismus fernen Internet-Parallelwelt, diesmal dem YouTube-Channel einer sehr aufmerksamen und freundlichen Person, die die komplette Staffel „The Secret World of Polly Flint“ hochgeladen hatte. (Den dazugehörigen Roman schrieb Helen Cresswell, und mit Polly Flint schuf sie eine Mädchenfigur, die in einem langweiligen aber recht heimeligen Kaff, dessen größtest Highlight ein Jahrzehnte alter Mai-Baum ist, als Ein-Mann-Kämpferin mit zersauster Pony-Frisur Zeitreisende eines lange verschollenen Dorfes vor dem Sensemann beschützt, während sie zwischendurch immer wieder von einem nervenden Nachbarsjungen geärgert wird. Sozusagen die Vor-Metapher zum Sumpf „Internet“.)

Mit halbem Auge verfolgte ich dabei das Treiben in den diversen sozialen Netzwerken, und so stach mir irgendwann ein Hinweis auf ein neues Opus Magnus des Laber-Rhabarbers ins Auge: Ein Buch namens „Tussikratie“ sei nun erschienen, geschrieben von den zwei Journalismus-Tussneldas Theresa Bäuerlein und Friederike Knüpling, und das Brigitte-Magazin fragte dazu ganz aufgekratzt: „Übertreiben wir es mit dem Feminismus?“ Hui, wie aufregend! Nicht.

Ich konnte besagten Artikel nur 20 Sekunden lang überfliegen, und dann entschied ich mich, dass ich mich anstatt auf den ewiggestrigen Null-Acht-Fuffzehn-Content zu „Tussikratie“ (O-Ton: Gelaber über Geschlecht-Gedöns verursacht noch mehr Probleme. Männer sind auch arm dran. Frauen haben mehr Möglichkeiten (zum Beispiel in der Mode, bunte Kleider und so). Männer sind auch arm dran, weil sie keine Männerbewegung haben. Und überhaupt, es gibt ja auch noch den armen Hausmann. Über den lachen ja auch alle, wenn er mal Kuchen in den Kindergarten trägt. Schnarchschnarchschnarch.) doch eher lieber wieder auf die mittlerweile Tauben fütternde Polly Flint konzentrieren wollte. Klick und weg. Ich schaffte es, noch bevor mir mein Arm eingeschlafen war. Juchheissassa!

Stunden später. Ich hatte inzwischen Pollys Umzug ins Haus der strengen Tante begleitet, mich von einem sehr geschätzten Menschen im Quiz-Duell abziehen lassen, irgendwelche Papiere geordnet, den Müll rausgetragen und eventuell sogar Blumen gegossen, da fiel mir „Tussikratie“ wieder mit halbem Auge in den Radar: Dieses Mal auf Twitter, wo das neue Buch und eine der beiden Autorinnen streng-kritisch beäugt wurden und erste Rückmeldungen (nicht besonders euphorisch, selbstredend) formuliert wurden.

Was den beiden Autorinnen nämlich anscheinend nicht so bewusst war (davon gehe ich tatsächlich aus): Dass sie mit ihrem ominösen Machwerk nämlich naiv wie der Mann mit dem selbstgebackenen Kuchen in den Kindergarten stolperten – in dem aber seit Jahren eine ausgefeilte Grillparty zugange ist, so dass man mit vertrocknetem Sandkuchen von vorgestern jetzt auch nicht mehr so viel anzufangen weiß. Und da war sie wieder: Diese Müdigkeit, die mich mittlerweile übermannt (haha!), wenn wieder irgendein neues belangloses antifeministisches Tralala breitflächig vorgestellt wird (will sagen: Irgendein langweiliger Stuss, der schon seit Jahrzehnten immer wieder aufgebrüht wird. Diese Suppe, die seit Jahren auf dem Herd steht, und in der immer wieder andere Leute – die anscheinend immer lange unter irgendwelchen Diskurssteinen geschlafen haben bevor sie auf einmal wie aus dem Nichts mit irgendwelchen Buchveröffentlichungen um die Ecke hampeln – herumrühren. Die armen Männer. Die ja auch Familienarbeit leisten wollen. Ja, ja. Ist ja gut.)

Es wird ja auch nicht besser wenn den Leuten (™) das Ganze unter dem Deckmantel von „Es geht den Autorinnen ja eigentlich und tatsächlich um Gleichberechtigung!“ untergejubelt wird. Und ich weiß auch nicht womit wir diese ganzen Buchpupser_innen verdient haben. Ich meine, das Problem an all dem wirklich grenzwertigen und problematischen Herrschaftsgelaber der Mainstream-Unterhaltungsliteratur „mit Message“ (™) ist ja mittlerweile nicht mehr nur, dass in diesen Büchern stringent falsches und empirisch nicht haltbares Zeug behauptet wird – das Problem ist ja auch noch, dass dieses ganze Zeug furzlangweilig ist. Weil immer wieder der immer gleiche Scheiß erzählt wird.

Ich meine, hey. Das sind die Leute mit denen ich mich battlen soll? Ach… Bringt mir doch mal Ketchup. Oder Mayo. Oder ’ne Grillzange. Danke. Gute Nacht.

Getaggt mit ,

15 Gedanken zu „Feminist Bore-Out

  1. Realitätbrennt sagt:

    Erstaunlich, dass du zu diesem „Buch“ überhaupt noch die Klappentexte bzw. Besprechungen quer gelesen hast. Für mich hat sich ein antifeministisches Buch mit dem Titel „Tussikratie“ bereits mit dem ersten Wort auf dem Deckel disqualifiziert.

    Gegen einen geistreichen Antifeminismus (eher: ein Pladoyer für einen besseren Feminismus) hätte ich nicht mal unbedingt etwas. Schön, und möglicherweise sogar überfällig wäre vielleicht auch eine gehaltvolle Kritik an bestimmenten Erscheinungsformen von Feminismus. Allerdings wäre das jetzt nicht gerade etwas, pardon, was ich jetzt unbedingt von Autorinnen der Brigitte erwarten würde.

    Über mein unschönes Vorurteil (die Autorinnenschaft der Brigitte betreffend) würde ich mich ja noch hinweg setzen, aber dann das Wort „Tussikratie“. Nee, geht gar nicht. Da kann ich noch meine „antifeministischsten Stimmungen“ auf einen Schlag in mir mobilisieren, aber sowas fasse ich nicht an. Ich lese ja schließlich auch keine Werke wie:

    „Vom Terror der fetten Frauen.“
    „Wie mich Multikulti um mein Leben betrogen hat.“
    „Ich als Typ bin elendig schüchtern – und allein der Feminismus ist daran schuld!“
    „Mimimi: Warum ich über die Existenz linker Bewegungen ständig heulen muss.“
    „Als männlicher Computernerd bin ich selbstverständlich kämpferischer Maskulinist.“
    „Steuern: Das Jahrtausend-Staatsverbrechen an den Leistungsträgern.“
    „Feminismus – ein Inside Job?“
    „Warum Sarrazin in wirklich jedem einzelnen Punkt zu 150 Prozent recht hat“
    „Die esoterischen Kräfte der Ananas“

    Okay, das letzte Buch könnte mich vielleicht doch noch interessieren. Wenn ich besoffen bin, zum Beispiel. Im Übrigen gehe ich davon aus, dass Vertreter einer bestimmten, scharf formierten und dann auch noch als zentrales Lebensgefühl praktizierten Weltanschauung in der Regel kein Interesse an Büchern haben, welche dieser Weltanschauung zuwider laufen.

    Ganz unabhängig davon, wie geistlos das jeweilige Buch vom ersten Wort an dann ist, und auch unabhängig davon, um welche Weltanschauung es sich dabei konkret handelt. Aber das ist noch einmal ein anderes Thema.

    Vielleicht aber wäre das tatsächlich auch mal spannend. Oder auch die Frage, warum der morderne Feminismus, zumal in seinen etwas radikaleren Konstituierungen, nur für eine sehr kleine Minderheit von Frauen interessant ist. Andererseits, so spannend ich das jetzt selber – theoretisch – finden könnte, so sehr langweilt mich die Aussicht, derartige Fragen ausgerechnet mit Leuten zu besprechen, die bereits die Legitimität dieser Fragen massiv anzweifeln, weil sie halt ihre eigene Weltanschauung verteidigen.

    Das ist so öde, allein schon der Gedanke daran, und die dabei vorgefertigten Bahnen der dann sicher stattfindenden Nichtdiskussion, bzw. das dann stattfindende gleichfalls öde Durcharbeiten der einschlägigen und weit im voraus absehbaren Einwandbehandlungen,
    pardon, dass sich bei mir ebenfalls eine Art „feminist bore out“ gebildet hat.

    Leider ein sehr generelles.

    Ich empfinde meine Empfindung als sehr ungerecht, aber die geht nun einmal in die Richtung, dass radikale Feministinnen und ein Gespräch mit ihnen in etwa so spannend sind wie Scientologen.

    Wie gesagt: Ich weiß, dass das irgendwie unfair ist. Es ist sogar nicht das, was ich darüber fühlen und denken möchte. Aber, leider, ganz genau so fühlt es sich für mich an. Dabei bin ich sogar der Meinung, dass Feminstinnen – inklusiver „radikaler Feministinnnen“ – in der Regel eine Reihe wichtiger und wesentlicher Anliegen vertreten.

    Und trotzdem. Bei mir hat sich da ein „bore out“ gebildet. Vielleicht verschwindet das irgendwann wieder von alleine. Und auch das Gefühl: Es geht mich eigentlich nichts an, was nun Scientologen für ein Bild von der Welt haben, oder halt radikale Feministinnen.

    Das ist einfach deren Ding. Die sollen damit mal schön unter sich bleiben. So sind sie schließlich auch selbst am glücklichsten.

  2. […] Feminist Bore-Out; genialer Begriff – trifft er doch genau das Gefühl, das einen immer wieder […]

  3. „Tusovka“ ist im Russischen ein privates Zusammentreffen, also so was wie eine Grillparty. Geselliges Beisammensein ohne großen Anspruch. Vielleicht haben die Damen ja Vokabeln verwechselt?

  4. dorothy sagt:

    Das Bild der alten Suppe, in der Leute herumrühren, die lange unter Diskussteinen geschlafen haben, gefällt mir sehr!!!

  5. Lea sagt:

    Was ist denn die Motivation der Autorinnen? Wollen die wirklich ihre Meinung verbreiten und „aufklären“? Nein, die wollen Geld verdienen – und mit so einem reaktionären Müll lässt sich das nun mal prima bewerkstelligen.
    Ich bin mir noch nicht einmal sicher, dass die Autorinnen tatsächlich selbst den ganzen Unsinn glauben, den sie da zu Papier gebracht haben…

  6. Len sagt:

    Wann hören Feminist/innen endlich auf, Frauen, und liegen sie noch so falsch, als „Antifeministinnen“ zu bezeichnen? Anscheinend versteht ihr die Tragödie in diesem Begriff, ja beinah möchte ich ihn „Label“ nennen, nicht. Ihr versteht nicht, dass jede feministische, jede Frauenbewegung völlig chancenlos ist, wenn Feminist/innen und Aktivist/innen Frauen eine kleben (liegen sie auch wirklich ganz doll falsch).
    Und das förderte meinen Feminist Bore-Out. Ich hab dann irgendwann gekündigt 😉

    Grüsse von irgendeiner Frau

    • zwibli24 sagt:

      Es gibt Frauen die sich als Antifeministinnen definieren, ich sehe nicht ein, warum man diese dann nicht so bezeichnen sollte. Ich nehme Frauen ernst und wenn das ihre politische Einstellung ist, finde ich es vielleicht traurig aber ich werde es nicht leugnen. Warum auch?
      Grüße von einer labelverherrlichenden, anstrengenden Frau

  7. […] Dieser Text erschien zuerst bei Shehadistan. […]

  8. […] auch zu offensichtlich, als dass es nicht anderswo schon poinierter formuliert worden wäre (etwa hier oder hier). Dieser Beitrag hier dümpelte eine ganze Weile in meinem Entwürfe-Ordner herum, weil […]

  9. […] drehen und führt bei den entsprechenden Aktivist*innen regelmäßig zu einem regelrechten “Feminist Bore-Out” [vgl. […]

  10. Anonymous sagt:

    […] […]

  11. […] bin, ich könnte gar versuchen es zu widerlegen, aber dass ist mir nun wirklich zu anstrengend. Feminist Bore-Out wie Nadia vor einiger Zeit so treffen schrieb. Ich könnte ausdifferenzieren, dass die Verlinkung von „Mir […]

  12. […] und autonome Präsenz, tue. Ich würde mir wünschen, dass wir uns nicht dem “feminist bore out” beugen, über das Nadia, wie immer sehr geil geschrieben hat, und solche Berichterstattungen […]

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