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Inflationierung von Rassismus schafft ihn nicht ab

„Über die Inflationierung der Bilder verschwinden sie.“ sagt Sebastian Baumgarten am Mittwoch im Haus der Berliner Festspiele während der Abschlussdiskussion zur “Blackfacing-Debatte”, die im Rahmen des Theatertreffens im Mai auf dem Blog des Festivals aufgeflammt war (hier mein Eintrag dazu und die Artikel auf dem TT-Blog). Im diplomatischen Stuhlkreis im Foyer der Berliner Festspiele diskutierten Vertreter_innen von Bühnenwatch und Sebastian Baumgarten, der Regisseur von der in die Kritik geratenen Inszenierung der “Heiligen Johanna der Schlachthöfe“.
 Aber von einer Diskussion kann kaum die Rede sein. Nach einleitenden Statements von Atif Hussein als Vertreter von Bühnenwatch und von Sebastian Baumgarten entstand ein faszinierend unproduktiver Abschlag von verhärteten Fronten. Konzeptionell war die Veranstaltung eingeteilt in zwei Teile: In der ersten von zwei Stunden sollte konkret anhand der Inszenierung der “Heiligen Johanna der Schlachthöfe” über die Verwendung des Blackfacing und anderen rassistischen Zeichen und Bildern gesprochen werden. Im zweiten Teil sollte ein Ausblick geschehen, untermauert von Ausschnitten aus anderen Inszenierungen, um die Frage zu erörtern: Kann die Praxis des Blackfacing auch kritisch angewandt werden, um das zu erreichen, woran Baumgarten scheiterte: Nämlich durch die Verwendung problematischer Zeichen eine Kritik an dem System zu formulieren, in dem Rassismus entsteht? Dem Moderator Tobi Müller gelang es jedoch nicht, einzelne Punkte produktiv zu bündeln, und somit einen auch nur ansatzweise gewinnbringenden Austausch zu fördern.Atif Hussein beim EingangsstatementZeichnung: KENDIKEDie Inflationierung der BilderDer interessanteste und auch vielsagendste Aspekt der Diskussion lag jedoch in diesem eingangs zitierten Satz von Sebastian Baumgarten zur Inflationierung der Bilder. Baumgarten will durch die Verwendung von rassistisch konnotierten Bildern im Theater eine Kritik an dem System formulieren, in dem sie entstehen: am global funktionierenden Kapitalismus. Darin liegt für ihn das radikale Potenzial der Kunst, das durch ihre bedingungslose Freiheit entsteht. Die Kunst darf alles, und so scheint es auch nur konsequent, dass Baumgarten sich, wie er sagte, nicht die Frage stellt: Wer ist mein Publikum? Wen verletze ich potenziell mit den Bildern, die ich auf die Bühne bringe? In dieser Frage läge für ihn die Gefahr, dass die Moral zensierend in die Kunst eingreife. Und er führt aus, dass die Kunst unter anderem die Aufgabe habe, das Widerständige zu zeigen, und dass er ergo mit der Reproduktion rassistischer Bilder und Zeichen Kritik übe an dem System, in dem Rassismus entsteht. Doch wie anders, (macht man sich die Mühe dieser Logik zu folgen) würde sich eine solche Kritik äußern, wenn nicht in einer solchen Diskussion, wie sie an diesem Nachmittag in den Berliner Festspielen statt gefunden hat? Es stellt sich dann die Frage, warum Baumgarten so ungehalten und aggressiv auftritt, warum er immer wieder seine Mitdiskutant_innen unterbricht und jede produktive Diskussion schier unmöglich erscheinen lässt. Denn genau das müsste es doch sein, was er anzuzetteln meint, wenn er die Verletzung von Zuschauer_innen mit der Reproduktion eines “dehumanizing gaze”, wie es eine junge Frau aus dem Publikum formulierte, in Kauf nimmt: Eine Veränderung des Systems, einen Diskurs, einen Austausch?Sebastian Baumgarten bei seinem StatementZeichnung: KENDIKE

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