Warum Pinkstinks mir stinkt. Eine Polemik.

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Es begann im Jahr 2012, als Gespenster begannen mich auf halbem Ohr zu verfolgen, die ich zunächst zu verdrängen versuchte: Nichts hören, nichts sehen, einfach ignorieren. Doch dann ging es irgendwann einfach nicht mehr: Durch eine Online-Mediensuppe ereilte mich irgendwann das bisher unbekannte Ausmaß der Mantra-Rufe mir fragwürdig erscheinender Ideen: „Pink stinkt! Pink stinkt!“ Ja, was zur Hölle war denn da schon wieder los?

Zwei Jahre später, wir schreiben das Jahr 2014: Die Initiative „Pinkstinks Deutschland„, nach dem englischen Modell gegründet von Dr. Stevie Schmiedel und in der Eigendarstellung gedacht als „Kampagne gegen Produkte, Werbeinhalte und Marketingstrategien, die Mädchen eine limitierende Geschlechterrolle zuweisen“, ist inzwischen eine erfolgreiche Bundeskampagne mit nicht von der Hand zu weisendem Einfluss.

Zwölf Mitarbeiter_innen bzw. Aktive sind fest für Pinkstinks Deutschland tätig, Fördergelder fließen, und Dr. Stevie Schmiedel ist eine gefragte Frau die es mit Sicherheit bald auch großflächig ins Fernsehen schaffen wird. Lobbyarbeit wird betrieben, und die ganze Kampagne mit ordentlich Reichweite läuft heiß in Richtung: Erfolgsgeschichte. Schön. Oder auch nicht!

Was an Pinkstinks verärgert ist nämlich, dass sie eine der Initiativen ist, die einerseits anscheinend Grundstrukturen des Sexismus anscheinend nicht wirklich aufdecken und verstehen will, sich andererseits aber zur großen Mutterorganisation antisexistischer Arbeit (aller aller Zeiten!) inszeniert, und damit nicht unwesentlich zur Unsichtbarmachung von Aktivist_innen beiträgt.Was ebenfalls nervt (aber wohl nicht verwundern sollte), ist, dass regelmäßig Errungenschaften (zum Beispiel: Feminismus ohne Cis-Männer) kleinerer aktivistischer Zusammenschlüsse und Einzelpersonen von Pinkstinks als „adsurdums“ abgewatscht werden.

Was zusätzlich ärgert ist, dass die Initiative es bisher nicht schafft ihr ewiges was Mädchen sollen/dürfen/nicht dürfen/müssen und worauf mensch bei ihnen achten muss und was wegen ihnen verboten werden muss und was wegen ihnen verteufelt gehört und welche Farben/Spielzeuge/Klamotten/etc. „okay“ für Mädchen sind und welche nicht  und das latente Anprangern von doing gender (aber nur female, natürlich) in den Griff zu kriegen und das Ganze auch gerne mal erklären lässt von einem Cis-Typen (Note: und wenn ich mit zwölf zwanzig Push-Up-BHs getragen hätte wäre ich nicht die mitverursachende Schlüsselfigur des Patriarchats gewesen) – auch wenn unlängst eigentlich auch fulminant angekündigt wurde „die Jungen mehr in den Fokus zu nehmen“ (na dann!).

Was noch mehr nervt ist zudem, dass ewiggestrige Debatten, von denen mensch längst hoffte sie wären eingestellt, von Pinkstinks immer wieder aufgegossen werden wie altes Käsefondue als gäbe es kein Morgen mehr: Zum Beispiel die Debatte WARUM ES TOTAL WICHTIG IST DASS AUCH CIS-MÄNNER BEI DIESEM FEMINISMUS MITMISCHEN KÖNNEN/SOLLEN/SOGAR MÜSSEN PUNKT! Die wird bei Pinkstinks immer wieder beschwafelt, gerne am Beispiel des immer wieder Kritik einheimsenden Pinkstinks-Schreibers Nils Pickert, und zum Beispiel in Episoden wie dieser hier:

„Manchmal ist Nils feministischer als ich, und manchmal möchte ich Nils mit einem „Das ist aber bei Frauen so!“ übertrumpfen und höre, dass Blanca oder Ingrid das ganz anders sehen. Trotzdem gibt es schon Hasslieder über uns im Netz von anderen Feminist*innen, die es unter anderem schlimm finden, dass Mann über Feminismus schreibt und dafür auch noch Raum bekommt. Ich folgere: Manche Feministinnen finden, dass Feminismus nur mit Frauen geht.“ (Quelle)

Das sind Momente, bei denen ich vorm Internet sitze und mir den Löffel aus der Kaffeetasse in meine Nase oder mein Herz rammen möchte. Ja, Stevie, und ja, Nils, manche Feministinnen finden eben, dass Feminismus nicht mit Cis-Männern geht, get over it. Beziehungsweise, sie finden (haltet Euch fest), dass Feminismus auch total gut ohne Cis-Männer geht (vor allem wenn sie immer wieder Stuss schreiben). Überraschung!

PoC-Aktivismus gegen Rassismus braucht zum Beispiel auch keine weißdeutschen Sprachrohre, genauso wenig wie Aktivist-Innen gegen Trans- oder Homophobie darauf angewiesen sind, dass irgendwelche Heten bei ihnen ins Sprachrohr labern. Trotzdem verbietet keiner dem Nils, dass er bei den Pinkstinks seine Texte schreibt – tut er ja regelmäßig, ob wir ich es nun wollen will oder nicht.

Immerhin hat Schmiedel im selben (obigen) Text aber mittlerweile mal festgehalten, dass „Frauen nicht immer die gleiche Meinung [haben], und mein Feminismus nicht dein Feminismus sein [muss]“, was ja wirklich total knorke ist, aber in der Vergangenheit zuvor zum Beispiel nicht verhinderte, dass engagierte Pinkstinks-Elev_innen schon mal rumkotzten wenn mensch nicht zu einer Milliarde Prozent mit ihnen der Achse des Guten einer Meinung war.

Ich weiß auch gar nicht, warum ich mich aufrege, schließlich reden wir hier von Vereinsmeierei, die es bis in die neoliberalen Blätterwälder des European schaffte, in denen ja auch andere zwielichtige Gestalten operieren (aber, Herrgott, ich Dummie, ich vergaß ja: Um es in den Mainstream zu schaffen muss mensch ja auch mit dem Mainstream kooperieren).

Aber dann fällt mir wieder ein, was mich so anekelt: Dass in Zeiten, in denen überall wieder so nazihaft der ominöse Tugendterror besungen wird, in denen privilegierte weiße Männer und preiswürdige Schriftstellerinnen irgendeinen Stuss daherreden dürfen, ein so großes Organ wie Pinkstinks daherkommt und von allen Seiten Nettigkeit und Fluffigkeit und ein locker-leckeres Miteinander und Meinungspluralismus und Demokratiegedöns einfordert, einfach so, in einer Welt, in der Rassist_innen neben diversen Feminist_innen Hand in Hand nebeneinander demonstrieren und sich gefälligst nicht anmeckern sollen, weil dann die schöne heile Pinkstinks-Welt (so fluffig, erfolgsverwöhnt und fröhlich sie doch grad gedeiht!) empfindlich gestört wird. Das soll Aktivismus sein? Gute Nacht!

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Update, 19.6.2014, zum weiterlesen: Heng hat sich die Mühe gemacht und ebenfalls sehr ausführlich Kritikpunkte an Pinkstinks zusammengetragen. Sehr lesenswert!

Und auch Merle Stöver schrieb bereits im April zu Pinkstinks und machte auf wichtige Bruchstellen des PS-Feminismus aufmerksam: Ihren Artikel könnt Ihr hier lesen.

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18 Gedanken zu „Warum Pinkstinks mir stinkt. Eine Polemik.

  1. Stevie sagt:

    Liebe Nadia, natürlich darfst und sollst du über uns schreiben, was du denkst. Unsichtbar machst du dabei leider auch. Dass wir nur einen Minijob und eine halbe Stelle für Administration haben und alle anderen rund um die Uhr und ehrenamtlich Flyerpakte verschicken, vernetzen, Kooperationen anschieben, den Werberat bedrängen und Theaterabeit bewerben; dass wir für unsere Theaterarbeit vom Fond Soziokultur nur finanziert werden, weil unser Stück dezidiert „Kinder mit Migrationshintergrund“ anspricht. Dass wir mit vielen Essstörungsberatungsstellen in HH zusammenarbeiten und gemeinsam Öffentlichkeitsarbeit machen. Im Gegensatz stellst du uns dar als erfolgreiche Organisation mit unglaublich viel Geld. Gerade letzteren Punkt bitte ich dich zu ändern, weil er schlichtweg falsch ist. Wir brauchen jeden Cent für unsere Theaterarbeit, unsere Demos und unsere Kampagnen gegen den Werberat, und können Künstler*innen, die für uns arbeiten, nicht mal adäquat bezahlen (geschweige uns selbst). Wir sind alle am Anschlag vor Überarbeitung, und machen natürlich auch Fehler, über die wir immer gerne ins Gespräch kommen. Gegen den Hass zu arbeiten ist anstrengend, aber Verleumdung ist einfach nur doof. Zwei Personen arbeiten fest für Pinkstinks. Punkt. Bitte klarstellen. Danke, Stevie

  2. Mari sagt:

    Was muss bei euch falsch gelaufen sein, dass ihr solche Hassrede über andere Menschen schreibt? Ehrliche Frage.

  3. Leonie sagt:

    Was ist denn das für ein seltsamer Rassismus gegen „weiße Männer“? Sagt mal: gehts noch?? Ich kann niemanden ernst nehmen, der einerseits vorgibt, gegen Rassismus zu kämpfen, dann aber Menschen wegen ihres Geschlechts und ihrer Hautfarbe diskriminiert!
    Vermutlich merkt Ihr in Eurer Filter-Bubble gar nicht mehr, wie ABSEITIG und MENSCHENVERACHTEND das wirkt!

  4. Berit sagt:

    und der abbau von kategorien lässt sich am besten mit der betonung von kategorien bestreiten? sollte es nicht darauf ankommen, was ein mensch sagt und nicht darauf, welches geschlecht/welche hautfarbe/welche sexuelle orientierung er/sie hat?

  5. Genderqueer sagt:

    Keine ahnung wie ich hier auf diesen Beitrag gekommen bin, aber er gefällt mir sehr gut! Schön, dass auch mal Kritik an „unseren“ Organisationen/Vereinen/Wassinddieeigentlich? geübt wird.

  6. Angela sagt:

    Ja und nu ????

  7. agztse sagt:

    „Zwölf Mitarbeiter_innen bzw. Aktive sind fest für Pinkstinks Deutschland tätig, Fördergelder fließen, und Dr. Stevie Schmiedel ist eine gefragte Frau die es mit Sicherheit bald auch großflächig ins Fernsehen schaffen wird. Lobbyarbeit wird betrieben, und die ganze Kampagne mit ordentlich Reichweite läuft heiß in Richtung: Erfolgsgeschichte. Schön.“

    Unglaublich. Herr Hoeness ist mein Held.

  8. ethfiel sagt:

    hihi, lustig wieder das ein oder andere reverse-racism Argument in den Kommentaren zu lesen. irgendwann muss das dochmal aussterben, oder?
    ich finde eh, dass „pinkstinkt“ als Name nicht gerade glücklich gewählt ist. es läuft auf ungeschriebene verbote hinaus.

  9. […] hat Kritik an der deutschen Pink stinks Kampagne formuliert, die ich zwar nicht bis zum letzten Wort teile, […]

  10. michel sagt:

    Das war doch keine Polemik.

  11. Katrin Mueller sagt:

    „Was an Pinkstinks verärgert ist nämlich, dass sie eine der Initiativen ist, die einerseits anscheinend Grundstrukturen des Sexismus anscheinend nicht wirklich aufdecken und verstehen will, sich andererseits aber zur großen Mutterorganisation antisexistischer Arbeit (aller aller Zeiten!) inszeniert, und damit nicht unwesentlich zur Unsichtbarmachung von Aktivist_innen beiträgt.“

    Warum werden Aktivist_innen unsichtbar, wenn diese Themen ein breiteres Publikum erreichen ?

    „Was ebenfalls nervt (aber wohl nicht verwundern sollte), ist, dass regelmäßig Errungenschaften (zum Beispiel: Feminismus ohne Cis-Männer) kleinerer aktivistischer Zusammenschlüsse und Einzelpersonen von Pinkstinks als “adsurdums” abgewatscht werden.“

    Ein Beispiel ?

    „Ja, Stevie, und ja, Nils, manche Feministinnen finden eben, dass Feminismus nicht mit Cis-Männern geht, get over it. Beziehungsweise, sie finden (haltet Euch fest), dass Feminismus auch total gut ohne Cis-Männer geht (vor allem wenn sie immer wieder Stuss schreiben). Überraschung!“

    Das ist nicht nachvollziehbar. Die benachteiligte gesellschaftliche Stellung der Frau geht die gesamte Gesellschaft an, Männer und Frauen. Darum ist es der Sache förderlich, wenn auch Männer ihre Meinung äussern dürfen.

    „PoC-Aktivismus gegen Rassismus braucht zum Beispiel auch keine weißdeutschen Sprachrohre, genauso wenig wie Aktivist-Innen gegen Trans- oder Homophobie darauf angewiesen sind, dass irgendwelche Heten bei ihnen ins Sprachrohr labern. Trotzdem verbietet keiner dem Nils, dass er bei den Pinkstinks seine Texte schreibt – tut er ja regelmäßig, ob wir ich es nun wollen will oder nicht.“

    Ich als nicht-soziologisch-universitär-ausgebildete Lesbe würde es sehr begrüßen, wenn viel mehr Heten gegen Homophobie eintreten würden.

    „Ich weiß auch gar nicht, warum ich mich aufrege, schließlich reden wir hier von Vereinsmeierei, die es bis in die neoliberalen Blätterwälder des European schaffte, in denen ja auch andere zwielichtige Gestalten operieren (aber, Herrgott, ich Dummie, ich vergaß ja: Um es in den Mainstream zu schaffen muss mensch ja auch mit dem Mainstream kooperieren).“

    Ist der Mainstream der Feind der wahren Aktivistin ? Geht es nicht um gesellschaftliche Veränderung ? Geht es darum als Aktivistin in einem Kreis auserwählter Gleichdenkender zu schreiben und sich elitär zu fühlen ?

    „Aber dann fällt mir wieder ein, was mich so anekelt: Dass in Zeiten, in denen überall wieder so nazihaft der ominöse Tugendterror besungen wird, in denen privilegierte weiße Männer und preiswürdige Schriftstellerinnen irgendeinen Stuss daherreden dürfen, ein so großes Organ wie Pinkstinks daherkommt und von allen Seiten Nettigkeit und Fluffigkeit und ein locker-leckeres Miteinander und Meinungspluralismus und Demokratiegedöns einfordert, einfach so, in einer Welt, in der Rassist_innen neben diversen Feminist_innen Hand in Hand nebeneinander demonstrieren und sich gefälligst nicht anmeckern sollen, weil dann die schöne heile Pinkstinks-Welt (so fluffig, erfolgsverwöhnt und fröhlich sie doch grad gedeiht!) empfindlich gestört wird. Das soll Aktivismus sein? Gute Nacht!“

    Aktivismus muss sich also abgrenzen ? Muss anecken ? Tugendterror – was soll das eigentlich sein ? Ist nur die Untugend der wahre Weg ? Wie soll denn der Gegenentwurf aussehen, der es schafft, die priviligierten weißen Männer und preiswürdigen Schriftstellerinnen von der Bildfläche verschwinden zu lassen ?

  12. […] sich mit Pinkstinks aus diversen Gründen nicht solidarisieren kann_will. Auf Shehadistan gibt es diesen sehr treffend geschriebenen, polemischen Artikel. Er ist so super, dass ich am liebsten alles zitieren möchte und mir zusätzlich wünsche, Nadia […]

  13. […] sich mit Pinkstinks aus diversen Gründen nicht solidarisieren kann_will. Auf Shehadistan gibt es diesen sehr treffend geschriebenen, polemischen Artikel. Er ist so super, dass ich am liebsten alles zitieren möchte und mir zusätzlich wünsche, Nadia […]

  14. […] die das Problem ist, sondern dass wir Geschlechter nach und wie Farben sortieren. Aber andere haben schon an anderer Stelle besser aufgeschrieben, warum Pinkstinks […]

  15. Die Fritzi sagt:

    Warum ist eigentlich alles bei Pinkstinks in O.B.-Tamponwerbungblau gehalten?

    Warum wird Pinkstinks stark von Frauen unterstützt, die einen Namen haben, der die Geschlechterrolle nicht eindeutig definiert wie Stevie Schmiedel (okay, Nachname für pubertäre Traumata gut) oder da git es in Hamburg eine Kersten, die mutmaßlich alle Eltern in ein Gulag stecken möchte, die ihre Tochter in Fleischwurstfarben rumlaufen lassen.

    Stinkt nur Pink? Was ist mit altrosa? Fuchsia? Erdbeerspeiseeisfarben? Fleischwurstfarben? Es gibt soviele Farbtöne.

    Und überhaupt, um ein wenig praktisch zu werden: gegen Stinken hilft manchmal WASCHEN !!!

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