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Eine Klasse für sich: Eine Ode an die talentierte Mrs. Delvey

Ⓒ Netflix

Seit im Februar die Netflix-Serie „Inventing Anna“ anlief, ist Anna „Delvey“ Sorokin wieder in aller Munde. Ich hoffe, dass alle meine Leser_innen Anna Delvey kennen. Falls nicht: Bitte ent-abonniert mich. Nein, Quatsch. Ich erzähle es nochmal auf die Schnelle: Anna, die 31 Jahre alt ist und bis zu ihrem Abitur im deutschen Eschweiler bei Köln lebte, hatte von 2013 bis 2017 die New Yorker High Society mit der Legende, sie sei eine schwerreiche Erbin aus Deutschland, an der Nase herumführen können. Mit dieser Masche hat sie insgesamt 275.000 Dollar erschwindelt. 2019 wurde sie wegen Betrugs zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, die sie mittlerweile abgesessen hat. Nun sitzt sie wieder in den USA im Knast und steht kurz davor wegen Verstößen gegen Visa-Bestimmungen nach Deutschland abgeschoben zu werden. Lieber als nach Deutschland abgeschoben zu werden, harrte sie dort bisher aus. Hart, aber verständlich. Auch alles andere Deutsche scheint sie wie die Pest zu meiden: Auf ihren Social Media-Profilen inszeniert sie sich rein englischsprachig. Auch das wird einer von Delveys cleveren Schachzügen sein. Während sie in den USA und Co. nämlich mittlerweile medial wie eine Pop-Kultur-Ikone hofiert wird (Stars wie Paris Hilton feiern sie, auf Instagram hat sie mittlerweile fast eine Million Follower_innen), wird in Deutschland zwar mittlerweile quantitativ viel über sie berichtet, aber komplett verkannt, welch popkulturelles Weltereignis die (Kunst-)Figur Anna Delvey eigentlich ist. Ich habe mit der Schriftstellerin Jacinta Nandi über Anna gesprochen: Warum ihr „genialer Betrug“ wahrscheinlich eher nur auf jugendlichem Leichtsinn und dem Wunsch, in einer glitzernden Weltstadt mitzumischen, fußte. Warum in uns allen ein bisschen Anna Delvey drinsteckt (vor allem, wenn wir pleite sind). Und warum es clever und auch richtig cool ist, dass sie Deutschland bisher so strikt vermieden hat.

Nadia: Ich habe keine Ahnung, warum mich die Story bis heute so fesselt, aber ich war in all meinen Jahren im Internet kaum so invested in eine Geschichte wie in die von Anna „Delvey“ Sorokin. Als 2018 der erste Artikel über sie mitten in der Nacht in meine Facebook-Timeline gespült wurde – es muss der Artikel aus „The Cut“ gewesen sein – war ich eigentlich todmüde. Aber schon als ich die Headline gelesen habe wusste ich: Das ist was für mich. Und dann habe ich mir den Text reingeklingelt und war danach gefühlt die halbe Nacht wach. „WAS FÜR EINE GEILE GESCHICHTE“, habe ich gedacht. Und vielen meiner Freund_innen ging es genau so. Als Annas Geschichte publik wurde war das ein richtiger „A Star is born“-Moment. Obwohl ja eigentlich nicht viel passiert ist, außer dass sie sich als reiche Erbin ausgegeben hat und Geld im sechsstelligen Bereich erschwindelt hat. Ich meine, wirklich reiche kids, die tatsächlich bei ihren Eltern und Co. auf der Erbenliste stehen: Sind die so anders? Die bescheißen doch auch?

Jacinta: Ich mag Anna Delvey. Sehr sogar. Aber ich finde trotzdem, dass das Ganze eigentlich eine non-story ist. Es wird jetzt so verkauft, als ob man als Erbin im Verhältnis zu Kindern von Normalos genetisch anders wäre? Also, vielleicht respektiere ich Superreiche einfach nicht genug. Und ich glaube Anna sofort, wenn sie sagt, dass das, was sie gemacht hat, eigentlich sehr leicht war. Alle fragen sich: Wie hat sie das hingekriegt? Und alle sind so sicher, dass sie eine Soziopathin ist. Ich bin mir da ehrlich gesagt nicht so sicher. Ich meine, hat sie wirklich etwas komplett Bösartiges gemacht? Eigentlich nicht?

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Marie Kondo: Noch ein Bashing, dieses Mal über die unordentlichen Privileged White People dieser Welt

Netflix

Hallo, ich bin wahrscheinlich ein bisschen spät dran mit diesem Artikel. Das kommt daher, weil ich im Januar meine Wohnung entrümpelt habe, und zwar radikal, und ein bisschen auch nach der KonMari-Methode (die ich bereits 2014 mal punktuell in meinen Räumlichkeiten durchgezogen habe, und was soll ich sagen, it changed my life). Nun ist Marie Kondo phänomenal erfolgreich und das fast schon seit knapp einem halben Jahrzehnt, und das heisst auch es gibt mittlerweile ungefähr eine Million Memes (oft auch richtig gute!), und ordentlich Lob, und ordentlich Bashing, und Bashing des Bashings weil es oft eindimensional und racist und überflüssig ist. Die Universalschubladen des Kondo-Bashings sollten mittlerweile bekannt sein: Marie Kondo ist das Gegenteil von Feminismus blabla, Marie Kondo propagiert ein problematisches Bild von Häuslichkeit blabla, Marie Kondo versteht nicht dass nicht die Unordnung das Problem ist sondern das Patriarchat in dem zumeist nur die „Frauen“(tm) putzen oder zumindest am allermeisten putzen blabla, dieses Aufräumprogramm von Marie Kondo ist nur für Privilegierte die überhaupt auch Zeug haben dass sie wegwerfen können blabla. Vorab: Natürlich sind das Patriarchat und Hetenbeziehungen und soziale Ungleichheit ein Problem, wenn nicht sogar die gewaltigsten. Aber, das ist der Punkt: Sie sind nicht Marie Kondos Problem. Und, was gerne unter den Tisch fällt bei der ganzen Meckerei: Dass Unordnung und Horterei auch einfach ein Kulturmuster sein kann, erwachsen aus Kapitalismus, den verschiedenen Gelegenheiten die Wohnraum so bieten kann und vielleicht auch einem, sagen wir, historischem Hang zu Dreck und Schmutz.

Unordnung und Sammelwahn – maybe it`s white?

Das Marie Kondo-Bashing gibt es meiner Meinung nach in erster Linie aufgrund des Zusammenstoßens der Unordnung weißer Menschen mit Marie Kondos frischer Aufgeräumtheit. Denn, Hand aufs Herz, mit Tinnef und Staubfängern vollgestopfte Wohnungen sind das Spezialgebiet der Spezies weiße Europäer_innen nordwestlicher Prägung (egal wo sie am Ende gelandet sind auf diesem Planeten) – und all derer die in ihrem Dunstkreis leben müssen. Nehmen wir der Einfachheit halber nur Deutschland: Hier bin ich groß geworden, und hier habe ich seit über drei Jahrzehnten den Horror des Wohnschrottes miterlebt und auch mitgemacht. Aufgewachsen im Deutschland der 80er und 90er Jahre habe auch ich vieles nicht ausgelassen: Tigerenten aus Holz (omg). Lava-Lampen. Kresse-Igel. Klamottenberge. Zaubertrolle. Kurzum: SCHROTT, aber manchmal brauchte ich ihn irgendwie für mein Leben. Und don`t judge me wenn Ihr nichts davon hattet, ich bin sicher, Ihr hattet anderen Sinnlos-Müll! Weiterlesen

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