Putzen ist eine Kunst, und Kunst kommt von Können

Eine von oben bis unten geputzte Küche. Fragt nicht wie viele verschiedene Putzinstrumente dafür herangezogen wurden.

Gestern hat die ganz wundervolle Fatma Aydemir einen ganz wunderbaren Text über Hausarbeit veröffentlicht, Ihr solltet ihn unbedingt lesen. In ihm geht es darum, das Putzen im eigenen Haushalt ein Vollzeit-Knochenjob ist. Einer, der neu bewertet werden muss. Einer, der viel zu wenig Anerkennung bekommt. Einer, der auch deswegen immerzu so sehr abgewertet wird, weil „putzen angeblich jede_r kann“. Und letztgenanntes führt m. M. in feministischen Debatten (insbesondere in Hetero-Kontexten) zu der fehlgeleiteten Annahme, eine gerechte Aufteilung der Hausarbeit (vor allem) in (Heten-)Beziehungen sei ganz einfach und mir nichts, dir nichts möglich. Das sehe ich anders: Das klappt nur, wenn Menschen über ein gemeinsames und in den meisten Fällen doch sehr ausgeprägtes Wissensrepertoire verfügen und zudem auch noch dieselben Ordnungsvorstellungen teilen. Ob das immer der Fall ist wage ich zu bezweifeln. WGs scheiteren daran, Paare ebenso. Eltern verzweifeln. Kinder sind genervt. Und das hat alles Gründe.

Dass eine Arbeit von jetzt auf gleich von jedermann gemacht werden kann ohne nennenswertes Vorwissen oder zumindest der Bereitschaft dazu, sich dieses Wissen anzueignen, basiert einfach auch auf der Annahme, dass es sich um Tätigkeiten handelt die jede_r Nichtskönner_in ausüben kann – das scheint fürs Putzen und insbesondere Care-Arbeit zu gelten. Hierin spiegelt sich nichts wider als die pure Verkennung und Abwertung einer Tätigkeit. Das bisschen Haushalt macht sich weder mit links, noch ist es ein Wirkungsbereich für komplett Ahnungslose.

Putzen ist eine Fähigkeit. Wer das nicht anerkennt, der verachtet die Menschen, die (professionell) putzen.

Richtiges Putzen ist eine Fähigkeit, eine, die elaboriertes Wissen und Geschick erfordert, eine Praxis, die auf kollektiven Kulturmustern fußt und ebenso auf individuellen Ansprüchen. Putzen ist nichts, was jede_r einfach so automatisch kann. Putzen ist eine Kunst. Putzen muss man können. Und wer das nicht anerkennt, reiht sich ein in den Reigen der Verachtung von Hausarbeit – eine, die natürlich oft auch patriarchal eingefärbt ist.

Meine Mutter erzählte mir einmal, dass sie bereits in den 1970ern das Abwaschen von Geschirr unter fließend Wasser immer schon dem im Deutschland verbreiteten Einweichen von Tassen, Tellern und Besteck in einem Schmutzwasser-Bottich vorgezogen hat – und ganz erleichtert war, dass das in der arabischen Familie meines Vaters seit jeher gang und gäbe war, er machte es nämlich auch genauso. Seit einigen Jahren vermittelt Marie Kondo Europäer_innen und Nordamerikaner_innen wie man richtig aufräumt und entrümpelt, irgendwann schrieb ich bereits darüber. Und wenn ich mich meiner über die Jahrzehnte verfeinerten Technik des Fensterputzens hingebe frage ich mich, wie jemals jemand der_die noch nie im Leben ein Fenster streifenfrei hinbekommen hat so etwas von null auf hundert hinbekommen soll. Es ist ein Ding der Unmöglichkeit.

„Ich werde bald mit meinem Freund zusammenziehen“, sagte mir mal eine Freundin beim gemeinsamen Brunch im Pre-Corona-Zeitalter, „aber er ist leider total unordentlich.“ Bedröppelt saßen wir vor unseren Tellern in einem Café, die Tischplatte so sauber geschrubbt dass bereits neue Holzschichten darunter freigelegt waren, aber in glattpoliert. Ich ließ mich näher über die genaue Sachlage unterrichten, um ein genaues Bild des ganzen Ausmaßes zu erhalten. Irgendwann war die Lage klar. Ich hätte ihr gerne gesagt: Ihr teilt Euch die Arbeit einfach. 50:50. Du bestehst darauf. Ganz einfach. Gleichberechtigung, Teamwork, haha lol!

Putzen als Last. Oder als Trost. Oder als Hobby. Oder als etwas, das man selbst nicht mehr tun kann.

Aber ich sagte ihr, was ich für die Realität hielt: „Es wird wahrscheinlich so sein: Entweder schraubst Du Dein Ordnungsbedürfnis runter und passt Dich dem allgemeinen Schmutzniveau an. Ein automatischer Downgrade also. Oder Du wirst – was wahrscheinlicher sein wird – klammheimlich eh wieder mehr putzen.“ Wir sahen uns an. Wir seufzten. Innerlich aber wussten wir beide: Das mit dem Putzen, das ist eine Sache des Könnens. Aber auch eine Sache der Tagesform. Eine des Trainings. Eine wirkliche Kunst, und eine geputzte Wohnung ein Gesamtkunstwerk (genauso wie die ungeputzte Wohnung, versteht mich nicht falsch). Ein Kunstwerk, das immer ein Unikat ist, denn am Ende putzt jede_r doch anders, und jede_r putzt mal mehr, mal weniger, manchmal auch gar nicht, was verschiedene Gründe haben kann (Schmerz, Trauer, Depressionen, Einschränkungen auch physischer Natur, Verzweiflung obleich des Umstandes das angesichts einer globalen Pandemie andere Dinge grad wirklich wichtiger sind als putzen, etc. pp.).

In welcher Ordnung wann welche Reinigunsmittel zum Einsatz kommen, welche Reihenfolge in welchen Räumen einzuhalten ist, von oben nach unten zu putzen und von einem Teil der Wohnung strategisch bis an das andere Ende – Putzen kann ein geradezu zeremonielles Ereignis sein das auf Routine und Gewohnheiten basiert. Eins das unfassbar nerven und natürlich anstrengend sein kann, aber auch unfassbar befriedigend. Putzen kann auch ein Privileg sein – ein Akt des Herstellens von Heimeligkeit. Etwas, was zum Beispiel in Sammelunterkünften für Geflüchtete nicht möglich ist. Putzen kann auch ein Mittel zur Kontrolle sein, um das Revier zu markieren über das man waltet: eine symbolische Machtergreifung über einen Raum, den man reinigt und dekoriert und arrangiert so wie man es eben selber möchte. Putzen kann auch Sicherheit schaffen, ebenso unfassbare Belastungen. Man kann das Putzen hassen, und man kann es vermissen – zum Beispiel dann, wenn man es aus gesundheitlichen nicht mehr (so gut) kann.

Gebäudereiniger_in: Nicht umsonst ein professioneller Beruf mit komplexer dualer Ausbildung.

Die Ausbildung zur_zum Gebäudereiniger_in in Deutschland dauert zwei Jahre, und zwar nicht ohne Grund. Die Inhalte, die man in Schule und Praxis lernt, sind so komplex dass einem die Ohren schlackern. Welche Reiniger für welche Maschinen für welche Oberflächenbeschaffungen geeignet sind plus Wechselwirkungen plus Mathematik plus Chemie plus, plus, plus… Zudem ist der Beruf Gebäudereiniger_in ein absolut systemrelevanter Job wie wir jetzt gelernt haben. Trotzdem gehen viele Menschen davon aus, dass sie selbst ohne nennenswerte Zertifikate ausgebildete Gebäudereiniger_innen sind – und ihre spouses, mit denen sie einen Haushalt bewirtschaften oder dies planen, ebenfalls.

Dabei sieht der Realitätscheck ganz anders aus. Obschon meine Fensterputztechnik zum Beispiel doch einigermaßen solide ist, ich über die Jahre verschiedene Materialien ausprobiert habe, je nach Jahrzehnt und Mode (Spiritus und Lederlappen in den 1990ern, später eine eher minimalistischere Variante mit Spüli, in heutigen Zeiten auch mal eine seifenfreie und vor allem vegane Variante mit Mikrofasertüchern), wird mich jede_r professionelle Fensterputzer_in hart in die Tasche stecken. Vor ein paar Jahren wurde die Küche in meiner Wohnung renoviert, im Zuge dessen eine Profi-Reinigerin nochmal durch den kompletten Raum geschickt. Sie putzte das Fenster natürlich so unfassbar gut dass ich zunächst unsicher war, ob jemand nicht einfach eine neue Scheibe und einen neuen Rahmen eingebaut hatte. Ich war überwältig, inspiriert geradezu. Nun kursieren seit Jahren im Bürgi-Aktivismus immer wieder feministische Hot Takes darüber, ob man es wagen kann, Reinigungsfachmenschen für den Haushalt einzustellen. Meine Meinung dazu: Wer eine Profireinigung haben will sollte auch die Profis engagieren, und zwar mit großzügiger Entlohnung, anstatt immer wieder diverse Berufsbilder zu entwerten – weil oft so getan wird als bräuche man sie eigentlich ja gar nicht.

Doch zurück zu meinen eigenen vier Wänden: Ich putze noch selbst, und mich verblüfft mich immer wieder meine eigene Selektionsfähigkeit betreffend der Akzeptanz und Nicht-Akzeptanz von Schmutz im eigenen Wohnraum. Knapp vier Jahrzehnte hatte ich jetzt Zeit, ein vermeintlich durchdachtes und für mich logisches Repertoire – also ein hochgradig unwillkürliches und irrwitzig unlogisches System – an Sauberkeitsstandards zu entwickeln, eben so wie ein richtiger Autodidakt. Die Esstischplatte MUSS ständig freigeräumt und geputzt sein. Staubflusen auf dem Boden machen mich fix und fertig. Ein verstaubtes CD-Regal aber vermag ich geflissentlich zu ignorieren, ebenso natürlich dreckige Fensterscheiben. Ebenso juckt mich zerknitterte Bettwäsche kein bisschen, bügeln tue ich schon seit Jahren nicht mehr. Dafür muss die Waschmaschine alle vier Wochen tiefengereinigt werden, und mein Essigverbrauch ist immens hoch, weil ich ihn als Universalreiniger einfach überall draufschmiere. Mein eigenes Zeremoniell an Putzgewohnheiten und dem Standard-Sortiment meines Vertrauens, das ich dafür heranziehe, ist mittlerweile so ausgeklügelt, komplex, in mancherlei Hinsicht mit Sicherheit sinnlos und nur noch für mich zu durchschauen, dass ich mich immer wieder darüber amüsieren kann. Niemand könnte da hineinspazieren und 50 Prozent übernehmen ohne dass es kompliziert wird. Und niemals könnte ich in irgendeinen Haushalt hineinspazieren, dort vor mich hinputzen und glauben, es wäre sofort jedermanns Sache.

Und am Ende des Tages ist einfach folgendes trotzdem meine persönliche Wahrheit: Putzen ist mein Hobby, und ich schäme mich dafür nicht. Es ist nämlich mindestens genauso kompliziert und fordernd wie Modellbau oder Klavier spielen – aber halt nicht so Bürgi-mäßig.