Blut, Boden, Kartoffeln

Grenzen hochziehen, in Waffensysteme investieren, sich abschotten und ins tradierte (Heten-)Familienleben zurückziehen: Hört sich an wie der ganz normale Backlash in Industrieländern des globalen Nordens? Genau! Ist aber auch der Plot vieler erfolgreicher Horrofilme und (Doku-)Serien der letzten Jahre, und das kommt nicht von ungefähr: Das Szenario der Kleinfamilie, die sich gegen Zombies, Hexen, die Apokalpyse oder unbekannte böse Mächte verteidigt, funktioniert ganz prima als konservative Metapher, die das Bedürfnis nach der Rückbesinnung auf Traditionen erfüllt.

Linda Blair als Halloween-Ladenhüter. Heute ist halt Blut-und-Boden-Symbolik en vogue!

Letztens sah ich den Horrofilm „A Quiet Place“, und da war sie wieder: die von den Filmemacher_innen präsentierte Idylle eiber süße und natürlichen weißen Kleinfamilie. Die Mutter schwanger, der Vater ein unangenehm hemdsärmeliger Typ, der Erziehungsstil von beider helikopterig. Die Kinder waren im Film dementsprechend zwar irgendwie mit eigenem Kopf, aber auch unter dem Eindruck des vorauseilenden Gehorsams unterwegs – Mitläufer_innen gewissermaßen. Ansonsten die typischen „Home is where your Inszenierung von Häuslichkeit is“-Impressionen: Wäsche, die im Garten aufgehängt und Gemüse, das in Gläser eingeweckt wird. Dazwischen viele Bilder von Wiesen und Grashalmen.

Alles im Film sah so naturburschig und rückwärtsgewandt aus, dass ich fast die Kernseife riechen konnte, abgelenkt wurde ich aber von der ganzen Hetenliebe und Fortpflanzungsromantik des Streifens.

„Alles könnte so schön sein wenn da dieses FREMDE im Wald nicht wäre!!!“, schrien diese Bilder, und mir gefror das Blut in den Adern, weil ich die fragwürdige Familienidylle viel gruseliger fand als die unbekannte ominöse Bedrohung die im Wald lauerte. So schön könnte alles nämlich sein, so schön wie ein Instagram-Account irgendwelcher heimatliebenden Selbstversorger_innen aus dem Fahrwasser der Identitären Bewegung.

„Mein Blit, mein Boden, meine angepflanzten Kartoffeln! Wehe, irgendwelche u-n-b-e-k-a-n-n-t-e-n Kräfte kommen dem zu nahe, dann wird geballert!“, brüllte es mir entgegen, und ein bisschen sehnte ich mich zurück ins Zeitalter der „Twilight“-Romane zurück, als Vampire mit aristikratischer Ästhetik und Blutsaugersymbolik zwar schon den konersvativen Backlash einläuteten, aber immerhin noch Raum war für alternative Lebensentwürfe.

Letztens wurde mir dann noch eine Reportage in meinen TV-Abend gespült, es ging um „Grüne Ästhetik und braune Philosophie“, nämlich um die Anastasia-Bewegung – eine völkische, rechtsesoterische Gemeinschaft, die sich momentan sehr gern in Ostdeutschland im Kollektiv niederlässt. Grundidee ist dabei, dass jede Familie (die natürlich nur aus Mutter, Vater, Kind(ern) bestehen darf) einen hektar Land bewirtschaften und darauf ein Haus bauen soll, und dann irgendwann, wenn irgendwann genug weiße Hajos dieser Idee nachgegangen sind und ihre Häusle gebaut haben, es eine reine weiße Gemeinschaft gibt: Eine paradiesische Aussicht für diese White Supremacy-Jünger_innen.

Seid also auf der Hut, wenn Euch irgendwo die süße und unschuldige Kleinfamilie präsentiert wird, die sich gegen das Unbekannte abschottet – egal ob auf Höfen, in Tiny-Häusern oder in Kunst und Kultur. Sie ist nämlich kein Symbol für ein sicheres und moralisch einwandfreies Leben, sondern vielmerh oft eine Begleitprojektion rassistischer Einsiedler_innen- und Überlegenheitsromantik.

Dieser Text ist ein Crosspost: Diese Kolumne erschien zuerst im Missy Magazine 04/2019.

%d Bloggern gefällt das: