Eva Herman ist pleite. Darüber informiert ist seit gestern die einschlägige Boulevard-Presse. „Merkwürdig“, dachte ich. „Wie konnte das nur passieren?“ Tatsächlich, ich war einigermaßen negativ schockiert. Denn, seien wir ganz ehrlich, eigentlich hätten wir doch gerade jetzt den perfekten Nährboden für Eva Hermans reaktionäre Thesen, die sie – ihrer Zeit weit voraus – ja bereits 2006 in „Das Eva-Prinzip“ formulierte.
Hätte sie nicht gegenwärtig verdient, auf einen Olymp gehoben zu werden mit all den anderen großen Vordenker_innen, die merkwürdiges Zeug von sich geben, Bücher darüber verfassen oder Fernsehsendungen verwalten und damit Kohle einstreichen? Hätte sie nicht verdient, edelmütig ihren Lebensunterhalt zu verdienen mit Geschimpfe auf den Feminismus, mit Botschaften, die die Sehnsucht nach einem traditionellen Frauenbild offenbaren, mit der Artikulierung der Angst, Frauen könnten dank Erwerbsarbeit gar männlich werden?
Ich verstehe es einfach nicht. Vor allem nicht nach diesem Wochenende: Da wurden ja zum Beispiel die Vorfälle bei neoParadise scharf diskutiert. Joko Winterscheidt hatte im Rahmen seiner Kumpel-Sendung mit Klaas eine Mutprobe mit Bravour bestanden. Es galt, eine Frau an Brust und Po zu begrapschen. Kontextlos, versteht sich. Das löste bei einigen Zuschauer_innen Entsetzen aus. Das wiederum löste beim ZDF ein bisschen Entsetzen aus, denn die hatten bisher anscheinend noch nie etwas gehört von der Trivialisierung und Bagatellisierung sexualisierter Übergriffe, geschweige denn von Sexismus, geschweige denn von Grenzen des guten Geschmacks, und man versuchte schnell, sich peinlich zu erklären.
Was ich nun meine wenn ich sage, ich wundere mich über Hermans Pleite: Wenn das gebührenfinanzierte zweite deutsche Fernsehen doch so etwas schon aufzeichnet, und am Ende auch gar kein Problembewusstsein entwickelt, trotz kostenloser Nachhilfe (hier, hier, hier oder auch hier) – wäre es dann nicht gerecht, auch Eva Herman ein Stück vom Kuchen auf den Teller zu legen? Sie vielleicht gar als Nachrichtensprecherin wieder einzustellen, da sie doch bravourös ins Gesamtgefüge passen könnte? Ich meine, selbstverständlich, immerhin rief sie nie zu Übergriffigkeit auf, doch traue ich Joko und Klaas zu, die Herman`Schen Zeilen durchaus nach eingängiger Lektüre bei Klogängen verstehen, abzunicken und am Ende unterzeichnen zu können. Treffen sich hier nicht Mutter und Kinder im Geiste? Die Frau ist die Frau und darf deshalb mal einfach so angefasst werden – die Frau ist die Frau und hinter dem Herd sollte es ihr wohl am besten gefallen?
Doch dies ist nicht das einzige Indiz das mich der Überzeugung gewahr werden lässt, Eva Herman hätte weitaus mehr verdient als ein Leben in Insolvenz. So saß zum Beispiel gestern der Eheman von Miriam Kachelmann, der Jörg (ich klaue diesen Scherz bei Ada Blitzkrieg, nachzulesen hier), bei Günther Jauch auf der Couch. Der ehemalige Wettermann durfte im Klima allgemeiner Ratlosigkeit seinen kruden Thesen zu Vergewaltigungsvorwürfen freien Lauf lassen, die da heißen: Opfer-Abo, kein Einzelfall sondern Massenphänomen, und überhaupt: „Das muss alles aufhören“.
Als Advokatin ließ er seine junge Frau einlaufen. Die wirkte immerhin gewitzt, ja, aber beruflich und zum Thema fiel sie bisher ja jetzt nicht gerade durch besondere Referenzen auf – obschon sie sich als Expertin des Faches ins rechte Licht zu rücken suchte, denn sie habe „Theorien“ zum unsäglichen Buch beigesteuert und sei schließlich „eine Frau“, und am Ende – sie sagte es nicht – „seine Frau“, das heißt, qua Geschlechtszugehörigkeit und Standsamtpapier ausgewiesene Fachmännin. Wenn nun also wie so oft junge Hobbyforscher_innen mit ihren Thesen Zugang zu einem breiten Publikum haben, wenn ihnen ein Forum geboten wird, in dem sie ihre kruden Ansichten verbreiten können: Wäre dies nicht auch wieder einer Eva Herman würdig?
Wie gesagt, die Ratlosigkeit quält mich. Allein richtet mich der Sachverhalt auf, dass Hermans teilweise theologisch geprägte Argumentationsmuster vielleicht derzeit noch zu viel sind für die intellektuelle noch nicht angemessen vorbereitete Menschheit. Vielleicht ist der Verweis auf biblische Mächte 2012 einfach noch zu progressiv, da die Evolution des ganzheitlich Reaktionären noch ein bisschen Zeit braucht. Aber ich sage jetzt schon: Sobald die deutsche Menschheit reif ist, wird Eva Herman zurückkehren und siegen, bis es kracht. Denn verdient hätte sie es allemal.
Gott bewahre.
nun, wenn ich das eine hier in aller Bescheidenheit anmerken duerfte: vor nicht viel mehr vier Monaten war die immer ein wenig implizite und ein wenig explizite Tendenz zu einer Art pubertaerem Jungmaennerchauvinismus in neoparadise schon derart offensichtlich, dass sie mich, als rein zufaellig und voellig disjunkt mit den ueblichen Zielgruppenmotivationen in die Sendung getriebenem, zu einem brechgereizten blogartikel inspiriert hatte sowie zu Reflektionen darueber, wieviel Sendungen dieser Art es wohl noch bedarf, um die deutsche ‚Kultur‘ vollends ins neanderthal zu berfoerdern- damals allerdings war ich gleichzeitig ernsthaft entsetzt, enttaeuscht und befremdet darueber, dass sich im ganzen Netz wirklich EIN zaghafter Hinweis in irgendeiner Ecke irgendeines Forums und erst nach zweistuendiger google-recherche finden liess, der Klass&Joko eine sexistische Grundhaltung attestierte, moeglicherweise auch noch als FRAGE formuliert. Meine Frage hier also als Hobbyforscher der Abgruende dieser und anderer Kulturen: warum ist das so, warum werden Dinge, die wirklich jedem halbwegs wachen Beobachter offensichtlich sind, erst mit den sprichwoertlichen 12 Jahren Zeitverzoegerung (oh, wir befinden uns in der Barbarei, na sowas) erkannt? Was zudem niemand hier zu erkennen/dsikutieren scheint ist der rassistische Hintergrund/Beigeschmack dieser Sendung, von Klass‘ witziger semi-blackface-Maskerade bis zu der ‚zufaelligen‘ Auswahl groesstenteils nicht-weisser ‚Opfer‘ fuer ihre ‚Stinkefinger‘-Spiele, die Sendung ’spielt‘ selbst fuer jedes halbwegs intelligente Zielgruppen-Mitglied naemlich GERADE offensichtlich, mit Rassismus, mit Sexismus und mit duemmlichem deutschen Chauvinismus, ich erinnere mich mit Schaudern an den Auftritt von ‚Mallorca-Mickey‘. Wenn solche Dinge also schon vor Monaten offensichtlich waren: warum bedurfte es erst der Entgleisung und der Verhoehnung von Vergewaltigungsopfern dieser Sendung, wo ist die wache Gegenoeffentlichkeit in Deutschland. Darf man im Fernsehen ‚alles‘, weil das Fernsehen immerhin ja fur unseren ‚kulturellen Humus‘ sorgt? Von dort duerfen wir ’starten‘, das ist die Grundlage fur alles weitere? Wozu braucht das oeffentlich-rechtliche Fernsehen überhaupt ‚Maennersendungen‘, erwartet man von mir, dass ich diesen Dreck ab 2013 mit meinem sauerverdienten Hobbyforscher-Geld finanziere? Warum ziehen nicht ein paar Leute vor deren Studio dort in Mitte und fassen ihnen einmal richtig an die Eier? Warum denn eigentlich nicht?
Sehr gerne den Link dazu, würde ich gern lesen, thx!
du meinst den link auf den unsaeglichen ‚Mallorca Mickey‘ oder auf meinen blogartikel? Man sollte dazu sagen, dass ich damals noch vermutete, dieser Jungmaennerchauvinismus von Klaas&Joko wuerde gewissermassen ‚dialektisch‘ dadurch ‚legitimiert‘, dass man den beiden ein (pseudo-)bi- oder homosexuelles Image gibt, so als wuerde das gewissermasssen von jeder Verfehlung freisprechen, in dem Punkt bin ich mir allerdings inzwischen alles andere als sicher. Man versucht sich zwar ‚irgendwie‘ ‚aufgeklaert’/hip/progressiv‘ zu geben, siehe Jokos Skrupel beim Übergriff, aber die Folie, dies zur Legitimation des ueblichen Neanderthal-Sexismus, Rassismus und Chauvinismus zu nutzen ist dann doch zu überdeutlich und dominierend.
Der Grund für die Pleite ist die ganz normale Gier, die ansonsten intelligente Leute befällt, wenn windige Anlageberater an sie herantreten und das Blaue vom Himmel versprechen. Also narrensichere Investitionen mit prima Rendite. Das zieht sich übrigens quer durch die Gesellschaft, betrifft Linke, wie Rechte und Männlein wie Weiblein. Dann geht jeder gesunde Menschenverstand über Bord und der Kommentator wünscht dem Blogbetreiber, es möge nie ihn selbst einmal treffen. Es haben sich aber genug Schlauberger bereits ins eigene Knie geschossen, die von sich sagten, mir? Mir kann so etwas nie geschehen.
Vielen Dank für die guten Wünsche! Zum Glück habe ich gar kein Geld. Greetz!