tazlab, oder : So wird sich in die Scheiße geritten

[Vorab: Dieser Text ist wahrscheinlich nur für die Menschen verständlich, die halbwegs Durchblick haben betreffend dieser neverending tazlab-Story des vergangenen Wochenendes. Für alle anderen habe ich heute leider kein Foto – es sei denn, sie haben Bock sich nochmal durch ein paar Verlinkungen im Text zu quälen. Eine Nachlese zu den Vorfällen gibt es zum Beispiel hier und hier (Obacht!) und hier und hier und hier und hier.]

Ich empfehle also spätestens nach der letzten Woche eigentlich so ziemlich allen Menschen, die rassifiziert und somit von Rassismus betroffen sein könnten, ab sofort Abstand zu nehmen von Einladungen der (Mainstream)-Presse zu Veranstaltungen, die irgendwie was mit „Political Correctness“  oder Rassismus oder sonstwas in dieser Richtung zu tun haben könnten. Eingehende Mails würde ich ab sofort jederzeit löschen, Briefe in die Tonne werfen, Krone richten, weitergehen. Warum? Darum.

Noch *eindrucksvoller als dieser halbherzige Nullachtfuffzehn-Schlichtungsversuch der taz-Leitung im Hausblog (jaha, wie schön immer alles als Nebenkriegsschauplatz abgetan wird!) sind auf jeden Fall die Kommentare (Contentwarning) aufmerksamer Leser_innen unter dem Statement, die zum Teil nochmal ganz genauen Einblick in eine ekelig-eskalierte Veranstaltung geben.

Zum Beispiel:

„Kurzer Blick in meiner Twitter-TL:
Eintrag 16.08: „Deniz Yücel greift durch. Wenn das Podium spricht, schweigt das Publikum.“
Eintrag 16.47: „Herr Yücel dreht durch und schmeißt Zwischenrufer raus. Peinlicher Auftritt.“
Ca. 10 min. zuvor das: http://www.taz.de/uploads/images/684×342/_WB_6057.jpg
Yücel sinngemäß paraphrasiert: Na, Frau Otoo, wie finden Sie das? Verletzt Sie das? NA?
Sharon Otoo blieb völlig ruhig und gefasst. Unruhe stattdessen im Plenum.
Es folgte das berüchtigte Adornozitat, die Zwischenrufe wurden lauter und Yücel ging in die Luft.
Einige aus den vorderen Reihen verließen das Plenum, darunter auch ein schwarzes Kind, anscheinend Frau Otoos Sohn, woraufhin auch sie das Podium verließ. Spätestens an dieser Stelle hätte die Veranstaltung abgebrochen werden müssen, hätte Yücel das Gespräch mit Sharon Otoo suchen und sich entschuldigen müssen.
Und die taz tut so, als sei das eine bedauerliche Petitesse und nicht mehr. Nicht zu fassen.“

Es gab übrigens auch ein taz-Nachbarpanel am letzten Wochenende, das zwar etwas glimpflicher ausging, aber im Nachgang auch mindestens einen völlig unnötigen Text produzierte: Den von (Contentwarning: Das F-Wort folgt) Jan Fleischhauer.

Das einzig Lustige: Obschon Fleischhauer es niemals zugeben würde, scheint er vielleicht doch zumindest seine eigene persönliche kleine Lektion gelernt zu haben – der neue Text zum Thema Kinderbuchdebatte kommt doch tatsächlich ohne das ausgeschriebene N-Wort aus. Das klappte im Januar noch nicht: Nachzulesen hier. Was‘ da los? Hält Fleischhauer jetzt vielleicht eine neuerdings erworbene 1/8-Political Correctness geheim?

taz

Lustig ist auf jeden Fall, dass Fleischhauer sich mit seinem massenkompatiblen Denkeinheitsbrei wirklich für irgendwie avantgardistisch UND superlustig hält. Dabei verkauften schon andere Staubesser ähnlich gelagerte Botschaften (und sind heute ein Fall für das Antirassismus-Komitee der UN).

„Ich habe nur gewisse Zweifel, dass wir an der Sexismusfront wirklich weiter kommen, wenn in unserem Fall an die Stelle des weißen Mittelschichtsmannes sein türkischer, arabischer oder indischer Kollege tritt.“

Mein Vater würde sagen, er habe gewisse Zweifel ob wir mit der Rettung des Regenwaldes vorankommen, wenn Fleischhauers Wortsalat weiterhin auf Papier gedruckt wird.

Aber der Fleischhauer, so sagt er ja selbst, hat ja Widerstandsgeist. Und deswegen wird er auch bis zur letzten Tinte weitermachen. Viele Menschen, die den letzten Text von ihm gefeiert haben, hören in ihrer Freizeit übrigens auch gerne heimlich das hier das hier.

Getaggt mit , , ,

12 Gedanken zu „tazlab, oder : So wird sich in die Scheiße geritten

  1. ich verbeuge mich vor deinem Schreibgenie- aber du hast ein R vergessen im zweiten Abschnitt (Mainstream)- PResse (ab Bindestrich dieses Kommentars kannste dann löschen- dann steht hier nur noch meine Verbeugung ^^ )

  2. kanaction sagt:

    Abgesehen davon, dass ich auf dieser Seite noch in keinem Eintrag was zu beanstanden hatte, finde ich es immer wieder bemerkenswert, wie du auf mich-zum-schmunzeln-bringen-Phrases kommst, z.B.: „Für alle anderen habe ich heute leider kein Foto“

  3. […] Pendant, wenn auch eine Nummer größer, zur parteiübergreifenden Wirlassen­uns­das­negersagennichtverbieten- alias Frauen­gehtbügeln-Bewegung im deutschen Internet mit ihren Tausenden von […]

  4. Jonas sagt:

    Als weiß positionierter Priviligierter sehe ich meine Aufgabe nicht darin, einem negativ von Rassismus Betroffenen vorzuschreiben, wie er sich zu verhalten hat. Deniz Yücel macht Veranstatlungen, auf denen er Leserbriefe an ihn vorliest. Darin heißt es zum Beispiel (Triggerwarnung: Rassistische Sprache, die Retraumatisierungen auslösen kann): “Ein Ausländer bleibt immer ein Ausländer. Siehe Türken.” Oder: “Gehen Sie doch zurück nach Fickdeppenarschland, wo Sie herkommen!” Oder: “Ich bin dafür, Ausländer auch mit deutscher Staatsbürgerschaft abzuschieben.” Oder: “Sie erzeugen doch nur Vorurteile bei Leuten, die vorher keine hatten.” Oder: “Den Sprung vom Eselskarren zur E-Klasse scheinen Sie nicht verkraftet zu haben.” Politically Incorrect bezeichnet ihn ironisch als “grün-migrantische, multikulturelle, islamische “Bereicherung””.

    Als negativ von Rassismus Betroffener hat Deniz Yücel das Recht, selbst zu entscheiden, wie er das verarbeitet und wie er damit umgeht. Ich sehe meine Aufgabe darin, ihm zuzuhören, ihm Raum zu geben und meine Privilegien zu reflektieren.

    • shehadistan sagt:

      Hi Jonas, vielen Dank für Deinen Kommentar, ich verstehe vieles von dem was Du sagen willst.

      Quasi als „Ausländerfreundin“ von Yücel möchte ich persönlich dazu nochmal anmerken, dass Yücel niemand ist, der vom N-Wort betroffen ist. Deswegen hat er auch hier kein Recht zu entscheiden, wie andere das zu verarbeiten haben. Im Übrigen tappt er ansonsten oft eben auch in dieselbe Intersektionalitätsfalle wie z.B. Necla Kelek, was schon manche seiner Kolumnen zeigten.

      Dass er ebenfalls von Rassismus betroffen ist und diesen auch bswp. in Leserbriefen zu spüren bekommt, das würde ich natürlich nicht abstreiten. Heißt aber auch nicht, dass ihn das per se zum Antirassisten macht.

      Zum Weiterlesen empfehle ich diesen Text von letzter Woche: http://kanaction.wordpress.com/2013/04/24/uber-critical-whiteness-und-andere-missverstandnisse-2/

      Viele Grüße.

  5. […] sehr gute Kommentare zum Vorfall sind hier, hier, hier, hier, hier und hier zu […]

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  7. Lena sagt:

    Triggerwarnung: Ich schreibe diesen Kommentar nur, weil ich es lustig finde, dass ihr Internetfeministen euch immernoch darüber ausheult dass mal jemand seine ehrliche Meinung gesagt hat.
    Heute schon deine Privilegien gecheckt, du übervorteilte Schwarze?

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  9. Gnoll sagt:

    Ich gebe vollkommen Recht in Bezug auf Yücel, denn er hat den Bogen schon lange überspannt. Jedoch in Bezug auf Fleischhauer nicht, denn er hat vollkommen recht, diese Aussage ist nicht rassistisch, es geht hier nur um die noch nicht sexuell aufgeklärten und noch immer fast vollkommen männerdominierten Länder oder Regionen, wer darin etwas böswilliges erkennen möchte, der verheimlicht dortige Missstände.
    Ich finde es halt teilweise schon heftig was alles als Rasismus abgetan wird.

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