Schlechte Filme, gute Soundtracks

Ja, das gibt es natürlich: Filme, die grottenschlecht sind, sich aber durch ganz superbe Soundtracks auszeichnen – die dann teilweise sogar noch besser sind als gute Soundtracks richtig guter Filme. Und ich habe es endlich mal geschafft mein Vorhaben umzusetzen und ein paar Fallbeispiele zusammengetragen. Viel Spaß!

Vanilla Sky

Man kann von Tom Cruise halten was man will, und es gibt durchaus Filme mit ihm, die ich bis heute sehr schätze (wie beispielsweise „Jerry Maguire“), aber Vanilla Sky ist einfach nur ein grottenschlechter Film. Punkt. Wie kam es dazu? Nun, irgendwann im letzten Jahrzehnt muss Cruise Zerstreuung gesucht und sich den Kultstreifen „Abre los ojos“ von Alejandro Amenábar (dem Typen, den auch der Genie-Streich „The Others“ gelungen ist) angeschaut haben, was ihn wiederum so von der Couch gefegt hat dass er sich im Nachgang sämtliche Neuverfilmungsrechte sicherte – und der Einfachheit halber dann auch die weibliche Hauptdarstellerin (Penelope Cruz) wieder mit ins Boot holte, um einigermaßen stylish, aber auch sehr lieblos seine eigene Variante des Streifens auf Band zu pressen.

Und die Geschichte geht so: David Aames (Cruise) hat viel Geld, eigentlich eine Affäre (mit der extrem nervigen Cameron Diaz), trifft dann seine große Liebe (Penelope Cruz), und irgendwie geht dann natürlich alles den Bach runter mit ganz großen Katastrophen, und alles ist total verwirrend, aber was viel wichtiger ist: Wer damals „Abre los ojos“ geguckt hat, der musste sich nicht mit „Vanilla Sky“ rumplagen.

Trotzdem: Regisseur Cameron Crowe gelang – wie schon so oft – die perfekte audiovisuelle Begleitung, und so holte er zumindest noch einen kleinen Rest Intensität aus dieser Krawall-Schmonzette heraus. Ich habe noch keinen Crowe-Film gesehen, der einen beschissenen Soundtrack hatte. Musiksupervision: Crowe kann es einfach.

Dementsprechend sind auf dem „Vanilla Sky“-Score auch echte Perlen vertreten, die teilweise seit Jahren immer wieder in meinen Dauer-Playlisten auftauchen. Josh Rouses „Directions“ zum Beispiel, oder „Have you forgotten“ von den Red House Painters. Sowas nennt man dann wohl Glück im Unglück.

Strange Days

Da scheiden sich die Geister. Während einige den Streifen mit Ralph Fiennes (der meiner bescheidenen Meinung nach schon ein Problem an und für sich darstellt) für einen der besten der 90er halten, würde ich allenfalls noch das Prädikat „Legend Trash“ auf diese sinnbefreite Prügelorgie pappen. Die ganze Story muss jemand mit ordentlich déformation professionnelle zusammengepantscht haben, der von Liebeskummer gezeichnete Fiennes dackelt die ganze Zeit durch’s Bild wie ein angeschossener Ochse, und es gibt nur zwei Lichtstreifen in dem ganzen Elend: Angela Bassett und Juliette Lewis. Und letztere ist auch auf dem ganz ausgezeichneten Score zu hören, unter anderem mit dem ganz ausgezeichneten PJ Harvey-Cover von „Hardly Wait“:

Drive

Auch „Drive“ gehört zu den sinnbefreiten Prügel- und Gewaltorgien, die manche gerade deswegen als das Nonplusultra nihilistischer Filmkunst feiern. Dabei gibt es da gar nicht viel zu lernen, außer, dass Ryan Gosling die ganze Zeit wie bestellt und nicht abgeholt blöd in der Gegend rumglotzt, und viele Leute fanden das total spitze. Der Erfolg von „Drive“ erklärt sich für mich wie folgt: Es gab schnelle Autos für Leute die schnelle Autos total gut finden und eine Romanze für Leute die Romanzen total gut finden und jede Menge Hau-Drauf (was halt auch total viele Leute total gut finden). Und, das ist das wichtigste, außerordentlich gute Musik, so dass man sich „Drive“ am Ende dann doch wie ein sehr ansprechendes Musikvideo in Blockbuster-Länge antun konnte. Man kann im Übrigen auch ein Telefonbuch abfilmen, das Ganze mit Kavinsky-Musik unterlegen und alles ist gut.

The Village

Zunächst: Ich bin absolut kein M. Night Shyamalan-Fan, obwohl ich wie die meisten fast alle seine Filme gesehen habe (und bei keinem vor Langeweile gestorben bin). Und die Geschichte von „The Village“ ist schnell erzählt: Ein abgeschiedenes Dorf in einem dichten Wald in einem unbekannten Zeitalter, das aber den Hinweisen entsprechend irgendwo am Ende des 19. Jahrhunderts angesiedelt sein muss, und das Dorf dürfen die Bewohner_innen unter keinen Umständen verlassen, weil in dem Wald ganz böse Kreaturen wohnen, die die Gemeinschaft bedrohen.

Das Problem an „The Village“ war dabei für mich, dass die Auflösung am Ende so plump und so hohl war, dass die zuvor über anderthalb Stunden aufgebaute und sehr eindrückliche Atmosphäre (Joaquín Phoenix und Bryce Dallas Howard sei Dank) wie ein Misthaufen in sich zusammenfiel, so dass ich mich wie Robert Ebert fühlte, der über „The Village“ sagte: „Es ist so geistlos, dass wir, sobald wir das Geheimnis entdecken, den Film zurückspulen möchten, um das Geheimnis nicht mehr zu kennen.“ Es gab aber eine Sache, die den Misthaufen veredelte: Einer der besten New-Classic-Soundtracks des letzten Jahrzehnts, bei dem James Newton Howard sich zwar ab und zu selbst kopierte, aber das kann man verschmerzen. Denn wer hier Hillary Hahns Geigenspiel nicht liebt… hat einfach kein Herz.

Reality Bites

Vorweg: „Reality Bites“ ist wirklich einer meiner Lieblingsfilme, aber er ist auch wirklich grottenschlecht. Wirklich. W-i-r-k-l-i-c-h. Es gibt so viele Sachen, die heute, 2013, einfach nur noch peinlich sind an diesem Legend-Movie der Generation X. Der schmierige Ethan Hawke zum Beispiel, der überall mit seinem Gitarrenkoffer rumschleicht wie der Schmerzensmann der ersten Stunde, und zu allem Überfluss so aussieht wie ein mit Haargel zugekleisterter Clochard, der durch die Gegend trottet bevor er auf einer Schmalzspur ausrutscht und in ein Ölbad fällt, in dem ein fettiger Schinken liegt. Oder der unsäglich vollhohle Text, den das Drehbuch (bzw.: Autor Ben Stiller) Winona Ryder auf den Leib geschrieben hat (sie labert tatsächlich fast anderthalb Stunden nur Scheiße).  Oder die nervigen Tagebuch-Video–Sequenzen, die total panne sind (aber auch irgendwie ganz gut die 90er-Vorstufe sinnloser Facebook-Postings anderthalb Jahrzehnte später markieren).

Nachdem ich ihn also das letzte Mal irgendwann im Frühsommer diesen Jahres gesehen habe, kann ich festhalten, dass es genau drei gute Sachen an „Reality Bites“ gibt: Die Szene, in der in der WG die Kaffee-Filtertüten leer sind und Lelaina (Winona) einen aus Klopapier bastelt, die „Planet der Affen“-Figur von Ben Stiller, und die Szene, in der die WG in der Tankstelle zu The Knack tanzt. Ach ja, und der Soundtrack. Natürlich.

Romeo must Die

Da muss man nicht viel zu sagen. Ohne Aaliyah und ohne ihre Musik auf dem Score würde sich heute niemand, n-i-e-m-a-n-d mehr an diese Martial-Arts-„Romeo & Julia“-Adaption erinnern – außer vielleicht die Menschen, die damals live den Teen Choice-Awards beigewohnt haben, als der Streifen in der Kategorie „Drama“ den Preis gewann. Und was macht Jet Li eigentlich heute?

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5 Gedanken zu „Schlechte Filme, gute Soundtracks

  1. Chris sagt:

    Wie immer huldige ich Deinen formidablen Musikgeschmack und Deinen Wortwitz, und wer auch immer mit Dir ins Kino gehen und sich nachher mit Dir über den Film und den Soundtrack unterhalten darf, ist ein Glückspilz.

  2. xclusivx sagt:

    Jet Li prügelt sich um die Welt mit Stallone, Arnie und Statham 😉 toller Artikel, DRIVE war klar.

  3. Martin sagt:

    Also falls sich der Youtube Clip von Reality Bites auf deinen Kommentar beziehen soll: „My Sherona“ ist aber gar kein bisschen von The Clash, sondern von The Knack… 😉

  4. Christoph M. sagt:

    Ich mochte Drive. So.

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