Astrid Norths Stimme ist meine Deluxe-Ersatzheizung

Astrid North, live @ Forum, Bielefeld

Ich war noch ein ziemlich junger Mensch als ich mich in Astrid Norths Stimme verliebte. Es war 1995, als sie als Fronterin der Cultured Pearls auf der Bildfläche erschien, und für mich war es damals tatsächlich eine kleine Revolution, dass auf einmal eine deutsche Band auftauchte, die zum Beispiel mit „Tic Toc“ einen Track raushaute, der tatsächlich international voll gesellschaftsfähig glitzern konnte: Zeitlose Musik, die für Soulpop fast schon klassisch und trotzdem der Zeit weit voraus interpretiert wurde.

Und dazu Astrid, die elegant durch die Videos flanierte und mich dazu brachte, meine Sade-Platten unter Staub verdrecken zu lassen. Und ich will gar nicht untertreiben: Bis heute ist Astrid North eine der besten Sängerinnen, die wir haben. Punkt. Wenn ihr irgendwelche not-germans mit Mucke aus unserem Lande beeindrucken wollt: Geht auf Nummer sicher, spielt ihnen einen Track vor, den Astrid singt, und dann ist Ruhe im Karton (es sei denn, die ausgewählten Hörer_innen haben van Goghs Ohr für Musik).

Ich bin bis heute stolz auf meine Limited Edition von „Space Age Honeymoon„, die ich damals (1997) noch umständlich auf dem Dorf in einem Plattenladen bestellen musste, und die ich bei einem Hausbrand selbstverständlich retten würde. Und es gibt sogar eine lustige Anekdote zu Astrids Musik, an die ich mich immer wieder gerne erinnere: Oberstufenfahrt nach Wien Ende der 90er, unser Kurs sitzt auf der Rückfahrt nach Hause an einem abgerockten Morgen völlig übernächtigt in einer trostlosen McDonalds-Filiale irgendwo im nirgendwo, und auf einmal wankt meine Deutschlehrerin mit Augenringen und verzweifeltem Gesichtsausdruck auf mich zu. Ich denke nur: „Oh-Gott-ey, was-will-die-jetzt-schon-wieder-von-mir?“, und sie presst aus sich heraus: „Nadia, Du kennst doch bestimmt dieses Lied, das da gerade im Radio läuft? Von wem ist das? Und wie heißt das?!“

Ich kaute auf meinem Strohhalm herum und tat so, als müsste ich echt überlegen, weil ihr dieser Song, den sie gerade augenscheinlich zum ersten Mal hörte, in dieser Wallachai gerade tatsächlich die Welt bedeuten zu schien, und ich fand diesen Spannungsbogen irgendwie ganz catchy, und dann nuschelte ich irgendwann nach einer für sie schier endlosen Minute: „Das ist „Silverball“ von den Cultured Pearls.“ Und, ich übertreibe nicht, ab da liebte sie mich für immer, und wir verbrachten noch sehr angenehme Schuljahre miteinander. (Und, ich kann nur sagen, aus jeder verdreckten McDonalds-Filiale wird ein verzauberter und verwunschener Ort, wenn aus den Lautsprechern Astrids Stimme ertönt.)

Und das sollte man halt alles wissen, wenn man es bisher verpasst hat, sich einen Gig der kleinen und feinen Clubtour zu geben, die Astrid (noch bis April) derzeit spielt. Oder wenn man es bisher verpasst hat, sich ihr jüngstes Album „North“ anzuhören. Ich war letzte Woche im Bielefelder Forum, um mir quasi den Jugendtraum zu erfüllen, Astrid mal live zu hören. Ich mag das Forum jetzt aus noch mehr Gründen als vorher, nämlich: Die Dudes haben sich doch tatsächlich sehr den Arsch aufgerissen für die Bewirtung und Betreuung von Astrid und ihrer Band. Und es sich unter anderem auch nicht nehmen lassen, selbst gekochtes Essen aufzufahren. Und damit bleibenden Eindruck hinterlassen. Deswegen, Forum, hier auch wieder, Du: Cool.

Und das Konzert, hach. Astrid ist halt nicht nur eine phänomenale Sängerin, sondern auch eine ganz wunderbare Entertainerin. Und eine begnadete Storytellerin. Und lustig. Und wunder-wunder-hübsch. Und überhaupt. Zu jedem Track gab es eine Geschichte, das Publikum wurde aus praktischen Gründen auch einfach mal als Soundlieferant eingespannt, und wenn Astrids Stimme auf Platte schon wie eine warme Decke ist, so ist sie live wie ein Lagerfeuer, von dem man gar nicht mehr weggehen möchte.

Ich sollte Astrid an diesem Abend von meiner ganz ganz herzigen Freundin Selda Kaya grüßen, aber als ich dann irgendwann an ihrem Plattentisch stand, an dem sie geduldig ihre Alben signierte, konnte ich sie einfach nicht ansprechen. Ich meine, ich kleiner Furz, face to face mit Astrid North, die gerade noch „Dither“ (siehe unten) geschmettert hatte, und dann soll ich sie ganz flapsig von der Seite anquatschen? What a strange idea! Und ich habe mich erinnert, dass Astrid irgendwann mal erzählte, dass sie in New York Meshell Ndegéocello live gesehen hat, die sie sehr verehrt, und mit ihr hätte sprechen können – es aber dann doch nicht gemacht hat. Und dann dachte ich, die Astrid, die versteht das schon. Und die Selda auch.

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